Ein Altar als Ort der Repräsentation oder der Präsenz ?

Eine Frage hat mich schon seit langem beschäftigt: Wie verhält es sich bei einem heidnischen Altar mit dem Wechselspiel von Repräsentation - Stellvertretung und echter Präsenz –Anwesenheit. 

 Wenn man/frau in Büchern über Wicca oder „Magieanleitungen“ liest, findet man dort lange Listen möglicher repräsentativer Gegenstände, die eine bestimmte Energie versinnbildlichen sollen. Beispielsweise zu Mabon schmücke den Altar mit Blättern und Getreide als Zeichen für die Ernte und den Herbst. Auch in der Magie wird sehr oft das Stellvertreterprinzip verwandt, nimm dies für Liebe, dies für Geld usw. Oft wird der Altar dann als Ort der Repräsentation des eigenen Glaubens angesehen oder er spiegelt die zur Zeit herrschende Jahreszeit dar und oder er verehrt eine bestimmte Gottheit und ist ihr geweiht. 

Die Idee der reinen Repräsentation, in der die Dinge stellvertretend dazu dienen einen an bestimmte magische und religiöse Zusammenhänge zu erinnern, ist für mich aber nur ein Aspekt eines heidnischen Altars. 

Oft hat man aber doch das Gefühl dieser Altar strahlt Energie aus. Er hat etwas. Das kann schlicht nicht von der reinen Repräsentation ausgehen. Und hier kommt die Präsenz – die Anwesenheit der Dinge – ins Spiel. Denken wir einmal anders – die Blätter aus dem obigen Mabonbeispiel sind Teil des Herbstes, das Getreide ist Teil der Ernte, dann wäre der Herbst in Teilen tatsächlich anwesend auf dem Altar. Noch deutlicher wird dies, wenn ich an die hinduistische Vorstellung, daß die jeweilige Gottheit in ihrem jeweiligen Götterbild auch tatsächlich energetisch anwesend ist, denke. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß genau dies die Vorstellung ist, die ich seit langem lebe. 

Ja ich könnte sogar weiter gehen und behaupten, die tatsächliche Anwesenheit der göttlichen Energie auf dem Altar ist der einzige Grund für einen Altar. Reine Repräsentation braucht keine Blumen, keine  Speiseopfer etc. Es ist der Ort der Begegnung mit der anderen Welt – ein persönliches Energiezentrum sozusagen.

In der westlich-monotheistischen Vorstellungswelt gibt es aber eine lange Tradition der Ablehnung von sog. Götzendienst; d.h. die Verehrung eines Bildes/Ortes/Statue/Ding als tatsächlich göttlich. Das Kreuz z.B. ist nicht göttlich, es erinnert an die Leiden Christi, es ist Symbol, nicht präsente Gottheit. Der Streit über die Realpräsenz der Gottheit in der Kommunion (Hostie – Leib Christi) besteht nach wie vor zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Das Judentum und der Islam lehnen Gottesdarstellung generell ab.

Diese Vorstellungswelt, die einen zentralen Kern des Polytheismus zum Tabu, zum unwissenden Heidentum, zu abergläubischem Unfug erklärt hat, muß man/frau erst innerlich überwinden, wenn man sich einen aus meiner Sicht Schlüssel zur heidnischen Religiosität zurückholen will. 

Denn natürlich ist die Statue nur eine der Wohnstätten der Gottheit, aber sie ist eben EINE. Somit ist die Gottheit bei einem daheim, genießt Verehrung, Preisung, Opfer und ist unmittelbarer Bestandteil des eigenen Lebens. 

Wenn ich an die Hausgötterstatuen der Antike, an ägyptische Tempel, Heiligtümer der Arthemis etc. denke, ist es gar nicht nötig für diese Einsicht nach Asien zu schauen.

Es ist für mich Teil meines Glaubens, mir die Göttin sozusagen ins Haus zu holen. Und hierbei eben nicht als Abbild einer Vorstellung, sondern als wahre Präsenz in Form einer Statue oder eines Bildes, zu dem ich sprechen, beten, singen etc. kann. Ich lade die Göttin immer aufs neue zu den Festen dazu ein, in dieser „Wohnstätte“ zu verweilen, anwesend zu sein.

Mit der übrigen magischen oder spirituellen Repräsentation der Dinge auf dem Altar sehe ich es aus meiner magischen Vorstellung ähnlich – es ist ein Teil der Energie der jeweiligen Dinge/Ideen/etc., den ich auf den Altar bringe, nicht eine Ideenhülle- eine Repräsentation.